Das Massaker von Srebenica vor 30 Jahren, im Juli 1995, ist den meisten Menschen als eines der besonders furchtbaren Ereignisse des Jugoslawienkrieges in Erinnerung geblieben, eines Krieges, der wahrlich keinen Mangel hatte an schlimmsten Gräueltaten. Dieser Krieg, der in weiten Teilen von Grausamkeiten gegen Zivilisten geprägt war, dauerte Jahre um Jahre und er fand nach 40 Jahren Frieden in Europa in unserer direkten Nachbarschaft statt.
Und dann das: Die UN erklären Srebenica zum „Safe Haven“, also einem sicheren Zufluchtsort, und Tausende Bosnier fliehen in ihrer Angst dorthin. Es ist ein Versprechen der UN, abgesichert durch 450 niederländische Blauhelme. Die späteren Mörder wissen aber: Die Niederländer sind nur leicht bewaffnet – und sie haben keine Erlaubnis zum Waffeneinsatz. Effektiv bereitet die UN den Mördern ihre Untaten erst vor, so gut gemeint der Ansatz auch war.
Die Serben, militärisch den Niederländern weit überlegen, zwingen deren Kommandeur noch zu einem „freundschaftlichen Umtrunk“ und filmen das. Wenig später sind die Bilder in der Welt. Es sind diese Bilder, die sich bis heute eingebrannt haben. Die feixende Skrupellosigkeit der Mörder. Die hilflose, erzwungene Miene des niederländischen Kommandeurs, der dennoch mitspielt. Währenddessen werden draußen etwa 8000 Männer und Jungen mit Genickschüssen ermordet. Es erinnert an die Einsatzgruppen im 2. Weltkrieg. Es ist grauenhaft, widerlich, und es macht unendlich wütend.
Dabei war die Welt keineswegs hilflos. Warum hat die UN den Serben nicht klar mit Luftangriffen gedroht oder diese exemplarisch ausgeführt? Es war nichts anderes als Feigheit, man wollte die Serben „nicht provozieren“. Aber wenn Massenmord nicht einmal eine „Provokation“ rechtfertigt, dann sollten wir daraus schnell und intensiv lernen.
Und es kommt dabei überhaupt nicht darauf an, wer die Opfer waren, ob Männer oder Frauen, Christen oder Muslime, schwarz oder weiß. Das ist nun wirklich vollkommen egal. Es war ein Massenmord und wir, der Westen, hätten ihn verhindern können – und müssen.
Srebenica steht für Gedenken. Gedenken zuerst an die Opfer. Gedenken aber auch an ein kollektives Versagen. Es ist eine finstere Mahnung, dass Freiheit und Leben, wenn es sein muss, mit Gewalt verteidigt werden müssen, auch wenn das nicht leicht fällt.
Wichtig auch: Wer Srebenica für etwas anderes benutzt, missbraucht es. Das muss klar gesagt werden. Wer etwa die höhere Wahrscheinlichkeit von Ausländern bei der Begehung von Straftaten, zu denen auch Diebstahl und Vergleichbares gehört, mit diesem Massenmord gleichsetzt, vergleicht, milde formuliert, Äpfel mit Birnen. Wir sollten das nicht tun.
Wir sollten die Opfer eines Massenmordes nicht für politische Debatten missbrauchen. Wir sollten Ihrer gedenken, würdevoll und mit angemessenem Respekt für die Trauer der Überlebenden und Verwandten.
Und wir sollten aus unseren eigenen Fehlern lernen.