Am Tag des Grundgesetzes saß der wirtschaftspolitische Sprecher der AfD-Fraktion im Niedersächsischen Landtag, Omid Najafi, beim politischen Speed-Dating an Tisch 2 in der Europaschule BBS1 in Northeim. Erstwähler fühlten ihm auf den Zahn. Warum er mit seinem Migrationshintergrund ausgerechnet in die AfD eingetreten sei, wollte ein Schüler wissen. „Ich habe das Grundsatzprogramm der AfD vollständig gelesen und stimme mit den darin beschriebenen Punkten zu 100 Prozent überein.“ So fliegen einem die Herzen zu.
Weniger Glück hatte Sebastian Penno von der SPD an Tisch 6. Er besitze kein Geheimrezept gegen soziale Not, ließ er zwei Schülerinnen wissen, die ihn mit Fragen zur sozialen Ausgrenzung von Familien und Kindern aus finanziellen Gründen löcherten. Das Versprechen, die Schüler in den Landtag einzuladen, ist ein schwacher Trost, wenn man kein Geld für den Führerschein, einen Kinobesuch oder Vereinsaktivitäten hat.
„Aus welchem Land kommst du?“, wollte indes ein Schüler mit Migrationshintergrund von Omid Najafi wissen. Najafi lächelte: „Ich wurde in Rheinland-Pfalz geboren, meine Eltern kommen aus dem Iran.“ Warum die AfD Menschen abschieben möchte, warfen einige Teilnehmer an seinem Tisch ein. „Wir wollen, dass geltendes Recht und Gesetz angewendet werden“, und das ist auch eine Geldfrage: In Deutschland werden mehr als 300.000 ausreisepflichtige Asylbewerber auf Staatskosten vollversorgt. Die Schüler staunten nicht schlecht, als Omid Najafi den regierenden Politikern Rassismus vorwarf: „Ukrainische Asylbewerber erhalten Bürgergeld, alle anderen nur Asylleistungen, und das ist Rassismus.“ „Wie steht die AfD zu Waffenlieferungen in die Ukraine?“, fiel eine Schülerin zum Stichwort „Ukraine“ ein. Der frühere Börsenmakler kurz und bündig: „Die AfD ist gegen Waffenlieferungen, Deutschland hätte als Friedensvermittler auftreten müssen.“
Während es bei Omid Najafi um brisante Aktualität ging, ergoss sich Christian Frölich (CDU) in Selbstdarstellung: „Ich bin Handwerker und habe mich in der Kommunalpolitik engagiert und dies als Kompetenzaufbau für die Landespolitik genutzt“, regional habe er bereits verbessernde Bauprojekte umsetzen können. Worte, die für Erstwähler vor dem Hintergrund von Kriegstreiberei und Deindustrialisierung befremdlich klingen. Außen schwarz, innen grün, kritische Jugendliche werden es durchschaut haben – der Abgeordnete der CDU verband dann noch traditionelle Werte mit links-grünen Vorstellungen: „Die Familie ist die Keimzelle der Gesellschaft, abseits der gewohnten Rollenverteilungen gehören für mich die alternativen Familienmodelle in jeder Konstellation genauso dazu.“
Weitere linke Vorstellungen gab die jüngste zugelassene Kandidatin für die Europawahl von der Partei Die Linke, Johanna Brauer, zum Besten. Die 18-Jährige will die Gesellschaft umbauen, den Klimawandel bekämpfen, Armut abschaffen und Vermögen umverteilen: Vermögensteuer ab 5 Millionen Euro und Profite abschöpfen, um eine Kindergrundsicherung aus Kindergeld und Bildungspaketen zu finanzieren, kostenlose Bildung bis zum Doktortitel. Ziemlich unglaubwürdig seitens einer unerfahrenen jungen Frau, die, wenn sie gewählt wird, rund eine Million Euro in fünf Jahren verdienen und Personalverantwortung tragen wird. Eine Bankkauffrau-Azubine fragte auch skeptisch nach: „Was passiert, wenn Unternehmen und Reiche einfach abwandern, um einer Umverteilung zu entgehen?“ Die Linke will abwandernde Unternehmen noch bis zu 10 Jahren nachträglich besteuern, verteidigte Johanna Brauer ihr Ideal von sozialer Gerechtigkeit. Umverteilung ist so einfach, wenn es um das Geld der anderen geht. „Wenn wir zum Beispiel Fleisch teurer machen, müssen andere Produkte, die nachhaltig hergestellt werden, gleichzeitig günstiger werden“, legte sie nach. Verzicht, Bevormundung und staatliche Lenkungspolitik – damit kann man aber junge Leute, denen immer mehr abverlangt und weggenommen wird, nicht mehr begeistern.
Zurück zu Omid Najafi. Wie steht er zur Cannabis-Legalisierung? „Hanf wird schon lange legal zu medizinischen Zwecken eingesetzt, dabei sollte es auch bleiben, eine vollständige Legalisierung lehnen wir wegen der Gefahren weiter ab.“ Zur Frage einer Schülerin, was die AfD gegen den Islam habe, erklärte er: „In Deutschland gilt uneingeschränkte Religionsfreiheit, wir von der AfD haben aber etwas gegen Islamisten, die ungehindert ein Kalifat ausrufen und so gegen das Grundgesetz agieren.“ Die Einstellung der AfD zum Gendern interessierte die Jugendlichen auch brennend: „Gendern ist keine natürliche Sprachentwicklung, sondern eine ideologisch zwanghafte Sprache, die andere ausgrenzt, die es nicht tun, daher lehnen wir das Gendern strikt ab.“ Klare und deutliche Position.
Nicht fundiert und nach dem Motto „Hauptsache gegen die AfD“ äußerte sich hingegen der Grüne Sascha Völkening: „Selbst wenn die meisten Menschen keinen Anspruch auf Asyl haben, halte ich die Asylpolitik der AfD für populistisch.“ Zweifel am Rentensystem konnte er auch nicht entschärfen: „Die Rente ist ein komplexes Thema, die Zeit wird nicht reichen, um da in die Tiefe zu gehen, aber Altersarmut möchten wir mit gerechteren Löhnen bekämpfen.“ Schwaches Statement für einen Mathematiker, wird sich manch einer gedacht haben.
Die Klingel beendete die Gespräche, zwei Stunden waren wie im Flug vergangen. Eine Studie besagt, dass 22 Prozent der jungen Leute in Deutschland die AfD wählen würden. Kein Wunder – die Vertreter der Altparteien haben keine Antworten auf die drängenden Fragen der Jugendlichen, sie verstehen nicht, was sie bewegt, und verfolgen stur ihre eigene Agenda. „Geht wählen“, beendete der Koordinator der gymnasialen Oberstufe, Peter Fiebag, die Veranstaltung. Am 9. Juni werden wir erfahren, ob auf Generation Grün tatsächlich Generation rechts folgt.