Niedersächsische Museen haben keine Veranlassung, ihre ethnologischen Sammlungen als „koloniales Raubgut“ zu verdächtigen. Dies ergab eine Antwort der Landesregierung auf eine Anfrage der AfD-Fraktion zum Thema „Koloniales Kulturerbe sichten und sichern“ (Drucksache 19/803).
Angeregt durch „postkoloniale Theorien“ haben sich Museen in den letzten Jahren vermehrt auf die Herkunftsforschung (Provenienz) ihrer Sammlungsobjekte ausgerichtet, auch um mögliche Ansprüche auf Rückerstattung zu prüfen. Ein solches kustodisches und datengestütztes Programm verfolgte der universitätsübergreifende Forschungsverbund PAESE (Provenienzforschung in außereuropäischen Sammlungen und der Ethnologie). Die dabei entwickelte Technik könnte zukünftig gleichfalls dazu eingesetzt werden, das in den früheren Kolonien verbliebene deutsche Kulturgut zu erfassen und zu erhalten.
Dazu Jessica Schülke, kulturpolitische Sprecherin der AfD-Landtagsfraktion:
„Die PAESE-Datenbank widerlegt das Vorurteil, es handle sich bei Museumsobjekten aus kolonialem Kontext pauschal um ‚Raubgut‘. Von den rund 2000 Objekten sind knapp 80 Prozent Schenkungen, sieben Prozent wurden durch Kauf erworben, über sechs Prozent durch Dauerleihgabe und Tausch. Nur bei weiteren sieben Prozent ist die Erwerbsart unbekannt, aber selbst dabei kann nicht vordergründig ein Raubkontext unterstellt werden.
Forschung will Erkenntnisfortschritt. Was in Zukunft zu untersuchen ist, ist der Kulturtransfer, der in den Jahrzehnten des Deutschen Kaiserreichs in die so genannten Schutzgebiete erfolgte: Agrarwirtschaft, Technik und Industrialisierung, Urbanisierung, Bildung und Religion, Architektur, Antisklavereibewegung – das alles sind Kulturleistungen, die in den Überseegebieten verblieben sind. Hierzu scheint es keinerlei systematische Erfassung und Forschung zu geben. Genau dies wäre aber ein ergiebiges Forschungsprogramm: die Sichtung, digitale Erfassung und kulturelle Sicherung dieser Kulturleistungen – museal, denkmalschützerisch, archivalisch und medial. Ein wichtiges Handlungsfeld für Forschungsvorhaben und Museumskooperationen zwischen deutschen und afrikanischen Museen.
Derzeit fehlt oft die zeitaktuelle Auseinandersetzung beispielsweise mit den afrikanischen und pazifischen Gegenwartsgesellschaften und ihrer Alltagskultur, so wie es eine Ethnologie oder Kulturwissenschaft auf der Höhe der Zeit leisten müsste. Dazu gehört auch eine aktive Sammlungs- und Ankauf-Initiative, um die hiesigen Sammlungsbestände auszubauen.“
Jessica Schülke